Feuer an Bord als Ursache für den Untergang?

Am 1. Januar 2017 strahlte der britische Sender Channel 4 eine Titanic-Doku aus – Titel war „Titanic. The New Evidence“, also „Titanic. Der neue Beweis“. Demnach soll ein Bunkerfeuer ursächlich für den Untergang der Titanic gewesen sein; ohne dieses Feuer hätte das Schiff die Kollision mit dem Eisberg überstanden ohne zu sinken lautet die Kernaussage der Argumentation. Und belegt wird das verheerende Bunkerfeuer mit einem kürzlich wiederentdecktem Foto, das eine Anomalie außen am Rumpf der Titanic zeigt. Diese Anomalie soll durch das zum Zeitpunkt der Aufnahme lodernde Feuer an Bord entstanden sein.

Nach Ausstrahlung der Sendung verbreitete sich dieser neue Beweis wie ein Lauffeuer durch die westliche Welt. Eine Zusammenstellung der Argumentation findet sich im deutschsprachigen Raum u. a. hier:

http://www.shz.de/deutschland-welt/panorama/warum-sank-die-titanic-wirklich-journalist-es-war-ein-feuer-id15737696.html

Unser Mitglied Imre Karácsonyi hat sich ebenfalls kurz Gedanken zu den „neuen Erkenntnissen“ von Senan Molony gemacht.
Eine ausführliche Betrachtung gab es im Navigator Nr. 77 (März 2017).
Die erste nüchterne Betrachtung wurde an dieser Stelle schon einmal vorab veröffentlicht und fand ihren Weg in die Presse: http://www.shz.de/deutschland-welt/panorama/warum-sank-die-titanic-wirklich-titanic-verein-bezweifelt-neue-theorie-id15749446.html

Der Schatten des Bunkerfeuers

Auf einer erst kürzlich wiederentdeckten Aufnahme der Titanic in Belfast, kurz vor ihrem Auslaufen nach Southampton, soll angeblich ein schwarzer Schatten im Bereich der Kesselräume Nummer 5 und 6 auf das schwelende Bunkerfeuer hinweisen. Der schwarze Fleck soll demnach Veränderungen des Stahls der Außenhaut durch die hohen Temperaturen aufzeigen.

Bei einer genaueren Analyse der Aufnahme lässt sich mithilfe der Lokalisierung von Bullaugen und der Anordnung der Stahlplatten der genaue Ort des mysteriösen schwarzen Flecks am Rumpf bestimmen. Durch einen Abgleich mit den Originalplänen können in der Aufnahme auch die Decks, sowie das angeblich gefährdete Schott „E“ zwischen Kesselraum Nummer 5 und 6 genau eingezeichnet werden.

Bunkerfeuer 1

Ausschnitt der wiederentdeckten Aufnahme, die den mysteriösen Fleck zeigen soll

Wie im Ausschnitt zu erkennen, befindet sich der mysteriöse schwarze Fleck zwischen Deck F und Deck G und nicht in der Nähe vom Schott „E“. Markant sind auch die Anordnung der rot eingezeichneten Bullaugen, sowie die violett eingefärbten Aussparungen für Taue. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Ort des Flecks auf Deck G exakt feststellen. Die dahinter liegenden Räumlichkeiten sind in Bruce Beveridges Deck Plan eingezeichnet. Im Plan sind die markanten Bullaugen zur besseren Orientierung mit roten Pfeilen versehen.

Bunkerfeuer 2

Ausschnitt des G-Decks auf den von Bruce Beveridge veröffentlichten Plänen

Der mysteriöse Fleck zieht sich von einem Laderaum der ersten Klasse bis über den Postladeraum. Ein Glühen des Stahls der Außenhaut an dieser Stelle, aus welchen Gründen auch immer würde unmittelbar einen Großbrand in diesen Räumlichkeiten durch leicht entzündliche Materialien auslösen.

Ein Zusammenhang des mysteriösen Flecks, der im Übrigen nur auf den wiedergefundenen Aufnahmen auftaucht, mit dem Bunkerfeuer kann somit ausgeschlossen werden.

Imre Karácsonyi für den Deutschen Titanic-Verein von 1997 e. V., 4. Januar 2017